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37. Jahrgang InternetAusgabe 2003
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Schule & Lehre



Fortdauer des Ehemaligen (*)

„Wer alt und im Bewußtsein des gleichsam schuldenlosen Gelingens stürbe, wäre insgeheim der Musterknabe, der mit unsichtbarem Ranzen auf dem Rücken alle Stadien ohne Lücken absolviert. Jedem Gedanken jedoch, der nicht müßig ist, bleibt wie ein Mal die Unmöglichkeit der vollen Legitimation einbeschrieben, so wie wir im Traum davon wissen, daß es Mathematikstunden gibt, die wir um eines seligen Morgens im Bett willen versäumen, und die nie mehr sich einholen lassen. Der Gedanke wartet darauf, daß eines Tages die Erinnerung ans Versäumte ihn aufweckt und ihn in die Lehre verwandelt.“

Th. W. Adorno, Minima Moralia, 1944

Der Verfasser dieser Zeilen ist 1959 in die Wilhelmschule „eingeschult“ worden; von einer Zweigschule der Bürgerschule Kirchditmold kommend - im „Katharinenhaus“ auf dem Lindenberg, also fast im Wald – fand sich der Sohn kleiner Leute aus dem Angestelltenmilieu zwar in ein erhabenes Gymnasium aufgenommen, doch untergebracht waren die frischen Gymnasiasten in einer alten Kaserne in der Eugen-Richter-Straße.

  Kasernendisziplin aber war diesem neuen Schüler PGS kaum beizubringen. In seinem ersten Schuljahr hatte er - als Klassensprecher - den vermutlich lange nicht erreichten Rekord aufgestellt, 3 Einträge ins Klassenbuch zu kassieren. Das Amt mußte ihm vom ersten Klassenlehrer Dr. Mehrhoff entzogen werden. Der Schuldirektor mußte folgerichtig den Feldverweis in Erwägung ziehen, dem Schüler, genauer seinen Eltern wurde die Losung „consilium abeundi“ zugeraunt.

  Würze und Gewitztheit erhielt das dann folgende Palaver über Strafmaßnahmen mit den Eltern dadurch, daß Dr. Morlang im Gespräch mit den Eltern als Alternative zum äußersten Schritt des Schulverweises, der für Schule und Eltern ja unerhört gewesen wäre, auch noch in Erwägung zog, den Schüler eine Klasse überspringen zu lassen, um ihn an die Kandare zu nehmen und unter etwas älteren Schülern zu mäßigen.

  Der Prinzipal der Schule stritt sich eine Weile mit den Eltern herum, die ihn lieber von sich aus von der Schule nehmen wollten als einen Verweis quittieren zu müssen. Das Ergebnis: Wir versuchen es noch einmal mit dem Jungen. – Ein Jahr lang ging`s gut, aber in der Quarta, als beinahe allen Schülern und Lehrern die Kaserne immer bedrückender und enger fühlbar wurde, wurde eine neue Sorte von Klassenbucheinträgen eingeführt, die sozusagen außerhalb der Feldverweisregeln bewertet wurden - gleichsam als Ordnungswidrigkeiten. Davon eroberte sich der Schüler PGS fünf.

  Aus diesen Vorkommnissen läßt sich manches über diesen Ehemaligen erahnen. Er war ein nicht ungeliebter, aufgeweckter, aber stets eigenwilliger und eigensinniger Schüler. Doch keineswegs oder nur selten von der Art, die Adorno, noch einmal in „Minima Moralia“, als jene charakterisiert, „... die immerzu trotzig gegen die Lehrer aufmuckten und, wie man es wohl nannte, den Unterricht störten, vom Tag, ja der Stunde des Abiturs an jedoch mit den gleichen Lehrern am gleichen Tisch bei gleichen Bier zum Männerbund sich zusammensetzten“

  Gerettet hat die Gymnasialkarriere des PGS der hessische Landesvater Georg August Zinn. Wie das? „Landesväter“ und „Landeskinder“ waren in der Geschichte Gestalten des Verhältnisses von Herr und Knecht, die von der neugegründeten Republik in Westdeutschland überwunden worden sein sollten. Gleichwohl kennzeichnet die Bezeichnung „Landesvater“ in so gar nicht feudal-autoritärer Bedeutung diesen einen Mann, Georg-August Zinn (27. Mai 1901 - 27. März 1976), vortrefflich.

  Nicht zuletzt diesem Landesvater Zinn verdankten alle Schüler des Wilhelmsgymnasiums Errichtung und Eröffnung ihrer neuen Schule 1961.
Dieses Momentes ist an anderer Stelle mit Dankbarkeit gedacht worden.

Womöglich hat es sogar Momente im Leben eines jungen Gymnasiasten im Hessen der sechziger Jahre gegeben, in denen das eine Vorbild des Landesvaters vertrauenerweckender, aufrichtiger und bildender war als das des eigenen, leiblichen Vaters. Wie entlegen diese Vorstellung heute anmutet, daran könnte sich zweierlei zeigen: Wie verwirrt und vor sich selbst unglaubwürdig ein großer Teil der Elterngeneration damals zu erziehen versuchte einerseits; und wie grotesk das Panorama der Landesfürsten sich in der Bundesrepublik im Vergleich zu den sechziger Jahren darstellt.

Das spricht für Hessen (damals), seinen Ministerpräsidenten, und beider Vorbildhaftigkeit im Bildungswesen; dort wurde nicht nur die Erziehung des Volkes wichtig genommen, sondern auch genügend zu unternehmen vermocht, um den »wissenschaftlichen Ruf« der Schulen zu wahren und zu mehren. Ja, es war sogar möglich, in diesen Schulen mit einiger Mühe und Bescheidenheit und mit Lehrern, die sich noch der Wissenschaft und ihrer Blüte in Deutschland als Erben verbunden wußten, zu solcher Sicht der Welt aufzuschließen:

»So umfaßt ein Weltgemälde in wenigen Zügen die ungemessenen Himmelsräume, wie die microscopischen kleinen Organismen des Thier- und Pflanzenreiches, welche unsere stehenden Gewässer und die verwitternde Rinde der Felsen bewohnen. Alles Wahrnehmbare, das ein strenges Studium der Natur nach jeglicher Richtung bis zur jetzigen Zeit erforscht hat, bildet das Material, nach welchem die Darstellung zu entwerfen ist; es enthält in sich das Zeugnis ihrer Wahrheit und Treue. Ein beschreibendes Naturgemälde wie wir es in diesen Prolegomenen aufrollen, soll aber nicht bloß dem Einzelnen nachspüren; es bedarf nicht zu seiner Vollständigkeit der Aufzählung aller Lebensgestalten, aller Naturdinge und Naturprozesse. Der Tendenz endloser Zersplitterung des Erkannten und Gesammelten widerstrebend, soll der ordnende Denker trachten, der Gefahr der empirischen Fülle zu entgehen. Ein ansehnlicher Teil der quantitativen Kräfte der Materie oder, um naturphilosophischer zu reden, ihrer qualitativen Kraftänderungen ist gewiß noch unentdeckt. Das Auffinden der Einheit in der Totalität bleibt daher schon deshalb unvollständig. Neben der Freude an der errungenen Erkenntnis liegt, wie mit Wehmuth gemischt, in dem aufstrebenden, von der Gegenwart unbefriedigten Geiste die Sehnsucht nach noch nicht aufgeschlossenen, unbekannten Regionen des Wissens. Eine solche Sehnsucht knüpft fester das Band, welches nach alten, das Innerste der Gedankenwelt beherrschenden Gesetzen, alles Sinnliche an das Unsinnliche kettet; sie belebt den Verkehr zwischen dem, >was das Gemüth von der Welt erfaßt, und dem, was es aus seinen Tiefen zurückgiebt<.«

Alexander von Humboldt, Kosmos, Band I

Ist das nun die Erinnerung eines Ehemaligen oder die an ein Ehemaliges?

Peter G. Spengler

(Selbst-Porträt, auch erschienen in:
“Eulenspiegel 2002 - Zeitschrift des Vereins der Freunde und Förderer des Wilhelmsgymnasiums e. V. in Kassel)



Vitae Laborem exercentis Curriculum
 


Geistige Arbeit


Peter G. Spengler, Abiturjahrgang 1967.

Von 1967 - 1970 ordentliches Studium der Soziologie in Frankfurt - Vordiplom.

Von 1971 - 1975 unordentliches Studium der Geschichte, Ökonomie, Philosophie und Massenkommunikation - ohne Abschluß.

Von 1976 - 1982 Redakteur bei den „Studien von Zeitfragen“.

Von 1986 - 1991 Verlag und Redaktion der „Studien von Zeitfragen“.

Ab 2000 Verlag und Reaktion der „Studien von Zeitfragen im Netz“


Erwerbsarbeit


Beginn des Angestelltenverhältnisses bei der Deutschen Bundespost 1968 (Auslandsvermittlung bis 1987 - Teilzeit- und Vollzeitarbeit)

Wechsel in den Rundfunkdienst: Disposition von Fernsehübertragungen.

Ab 1989 Organisation und Disposition von Außen- und Live-Übertragungen (Mauerfall und Vereinigung) sowie Großveranstaltungen.

Ab 1991 Organisation und Disposition von Satellitenkommunikation für Anbieter von TV-Programmen.

Ab 1996 zusätzlich IV-Betreuung der Gruppe Satellitenkommunikation.

1997 Projektkoordination Live-Übertragung:
“Global Concert” - 150 Jahre Siemens

2001 Betreuung und Begleitung bei der Einführung eines neuen IV-Systems (SAP) im Bereich Kurzzeitverbindungen der Media&Broadcast in der T-Systems International.

2003 Projektkoordination
Live-Übertragung
Hearing from Europe”: Live-Übertragung aus 28 europäischen Staaten

Ein Projekt der Vereinigung „Friends of Europe“.